Damit Engel fliegen können - Mit der Schöpfung Inklusion erleben (IV)

Ach Uriel, wie ähnlich bist du uns. Der Engel, der in der Bibel zu den Erzengeln zählt, kommt in dem Tanzprojekt ‚Die Schöpfung‘ so menschlich daher: ein Abenteurer, fragil und spielerisch, übermütig und dabei oft unvorsichtig. Der manchmal hinfällt und sich dabei aufschlägt, wieder aufsteht und unverdrossen weitermacht.  Wenn Juri Tetzlaff als Engel (J)uriel auf der Bühne erscheint, dann transportiert er den Charakter des Himmelsboten auch durch Kostüm und Requisiten, um die sich federführend ein Team der EVIM Reha-Werkstatt in Abstimmung mit dem Choreografen und Mitwirkenden kümmert.

Sibylle Glinz, Leiterin der Kunstwerkstatt, die Tanztherapeutinnen Katharina Weil und Yoshiko Romppel sowie einige Mitwirkende aus dem Wohnpflegehaus besprechen Ende Januar das, was den Charakter der Figuren ausmacht und welche Formen, welches Material dafür geeignet sein könnten. Mit den Rollifahrern Melanie Loos, Aline Hübner, Johanna Griesfeller, Tobias Morillas-Alvarez und Wenzel Friebe wird ausgetüftelt, welche handwerklich-technischen Vorrichtungen nötig sind, um die Requisiten zu handhaben. Wie zum Beispiel für die Darstellung der Tiere in der Schöpfung: der kleine und der große Wal, die Goldfische oder die Quallenfamilie. Und – ‚die Luft‘ denn sie gehört zum Leben wie ‚das Wasser‘ und ‚die Sonne‘ und ‚die Erde‘.  All das verlangt nach dem richtigen Stoff, dem passenden Material und der geeignetsten technischen Ausstattung. „Das alles ist schon eine echte Herausforderung“, sagt Sibylle Glinz, die die nötigen Maße für Requisiten und Kostüme notiert. Hinzu kommen Recherche im Internet, der Gang zum Stoffladen oder ins Kaufhaus, um das Gewebe und die Farbqualität zu prüfen, zu vergleichen und, last not least, effizient einzukaufen. „Wir schauen natürlich, was wir mit eigenen Mitteln und Ressourcen selbst herstellen oder aus unserem Fundus nutzen können“, so Glinz, die mit  Claudia  Mahr und  Aline Simeoni, Freiwillige und gelernte Schreinerin, ein starkes Team sind. So wurden aus alten Gymnastikreifen mit der Textur von Rettungsdecken glänzende Himmelskörper mit Schweif. Andere Requisiten sind aufwändiger, wie zum Beispiel die Walflosse, die für Tobias Morillas-Alvarez transportabel und zugleich anmutig in ihrer Bewegung sein muss. Immer kommt es darauf an, das Wesentliche eines Objektes oder den Charakter des Lebewesens zu visualisieren und „minimalistisch zu arbeiten“, wie Katharina Weil es bezeichnet. Im Kleinen wie im Großen. Wenn grasgrüne Erde sich durch des Menschen Hand in eine vertrocknete Landschaft verwandelt, müssen riesige Stoffbahnen zusammengefügt werden. Dabei half Bettina Durmaz, eine Auszubildende in der Hauswirtschaft und sehr geschickt im Nähen. Bei einigen Fertigungsprozessen unterstützen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatkräftig. Aber auch andere Bereiche wie die Montagegruppe aus der Reha-Werkstatt werden hier mit aktiv und bauen spezielle Vorrichtungen, damit Engel durch die himmlischen Sphären tatsächlich fliegen können. Gespannt sein darf man auch auf Tiger, Löwe, Erdmännchen, Strauß, Pinguin und Hirsch, die auf der Bühne dargestellt werden.  Die Ideen der kreativen Köpfe sprudeln nur so bei dem Meeting im Wohnpflegehaus.  Miguel Zermeño, der etwas später hinzukam, greift zu seinem Skizzenbuch, macht an Hand von Zeichnungen deutlich, worauf es ankommt.  „Es geht immer darum, die ästhetisch schönste und kreativste Lösung zu finden“, bringt der Choreograph die Suche auf den Punkt. Man vergleicht, notiert Maße und durchdenkt, was berücksichtigt werden muss: die Raumsituation, Türmaße, die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Mitwirkenden, die Ästhetik des Materials und die praktische Umsetzung. 

So wie für den Auftritt von Juriel, der nicht strahlend weiß gewandet daher kommen kann - der Abenteurer, der Unkorrekte. Man soll ihm seine Umtriebigkeit ruhig ansehen. Nur die Spitzen der Federn, flüchtig, werden glänzen im Schein des Lichts und ihn als Himmelsbote zu erkennen geben. 

Foto: Unter den geschickten Händen von Aline Simeoni (l.), Sibylle Glinz (re.) und Klientinnen der Reha-Werkstatt entstanden die leuchtenden Kometen. 

Das Projekt wurde initiiert und durchgeführt von der LORENZ Stiftung. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat die Schirmherrschaft übernommen.
Die Aufführungen finden statt am 8. Juli 2015 im Sendesaal des Hessischen Rundfunks und am 13. Oktober 2015 im Kurhaus Wiesbaden (Thiersch-Saal).  Mehr Infos zum Projekt, zu den Protagonisten, zur Idee, Umsetzung, Gestaltung und zu den Aufführungen und Möglichkeiten der Unterstützung unter <link http: www.gemeinsam-neu-erleben.de>www.gemeinsam-neu-erleben.de