Und so fühlt man sich im großen Garten des Ludwig-Eibach-Hauses recht wohl, wo viele Menschen allein oder zu zweit, im Rollstuhl, mit Rollator oder untergehakt promenieren. Trotz Maske beim Gespräch nimmt man ein Lächeln wahr, als Lodin von seiner Arbeit erzählt. Der junge Mann aus Afghanistan hat hier seine Berufung gefunden. 2017 kam er ganz alleine nach Deutschland. Die näheren Umstände erklärt er nur vage: Sein Vater sei getötet worden. Danach sei es für ihn und seine Mutter nicht mehr sicher gewesen. Lodin kam über verschiedene Stationen nach Wiesbaden. Eine Art Hauptschulabschluss hatte er mitgebracht. Hier landete er in dem Projekt „Pflege in Hessen integriert“ und konnte so über zwei Jahre den Hauptschulabschluss und die Altenpflegehelferausbildung absolvieren. „Ich hatte zuerst schon Angst, dass ich das nicht schaffe“, erklärt Lodin freimütig. „Mein Deutsch war nicht gut genug für all die Fachausdrücke wie „Prophylaxe“ zum Beispiel. Und es gibt keine Lehrbücher in meiner Sprache. Das war schon sehr schwierig.“ Er habe auch überlegt, abzubrechen. „Aber man hat mir dann doch so viel geholfen, dass ich weiterkam.“
Vielseitige Ausbildung
Und Assadullah Lodin schaffte den Schulabschluss mit einer Zwei, den Altenpflegehelfer-Abschluss sogar mit einer Eins. Das gab ihm genügend Selbstbewusstsein, um gleich im Anschluss eine weitere Ausbildung zur Pflegefachkraft zu beginnen. Er ist im ersten Jahrgang der neuen, generalistischen Ausbildung, die seit kurzer Zeit die bisherigen Berufe Altenpfleger/in, Gesundheits- und Krankenpfleger/in und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in zusammenfasst. „Ich habe gemerkt, dass Fachkräfte mehr Verantwortung haben, interessantere Aufgaben ausführen“, sagt Lodin. Und spricht schon davon, sich auch nach dieser Ausbildung noch weiterzubilden. „Man hat so viele Möglichkeiten und Chancen.“ Auch ein Studium schließt er nicht aus. Doch was ihn antreibt, ist die Motivation, Menschen zu helfen. Er habe auch schon in Afghanistan seine alte Großmutter gepflegt. „Altenheime in dieser Art wie in Deutschland gibt es dort nicht.“ Daher war es schon ein gewisser Kulturschock, als er das erste Mal eine Senioreneinrichtung betrat. Doch er möchte weiter daran mitarbeiten, dass sich die alten Menschen hier gut aufgehoben fühlen.
Großartige Unterstützung
Eine weitere Motivation: „Mir hat man auch so viel geholfen, als ich nach Deutschland kam. Bis heute habe ich Kontakt zu einem netten Ehepaar aus Wiesbaden, Regine und Wolfram, die mich sehr unterstützen. Ich möchte etwas zurückgeben.“ Und so büffelt Lodin schon jetzt für seine nächsten Prüfungen. Die Ausbildung findet in monatlichen Blöcken statt – immer einen Monat an der Pflegeschule „Mission Leben“ und einen Monat in einer Einrichtung. Zum Zeitpunkt unseres Gespräches Ende Mai war dies das Ludwig-Eibach-Haus. „Nächste Station ist ein Krankenhaus“, berichtet Lodin. Er sei schon gespannt. Einen typischen Tag in der Altenpflege gebe es nicht wirklich, „denn den Menschen geht es ja auch jeden Tag anders.“ An einem Tag mit Frühdienst kommt er morgens an und bespricht mit dem Nachtdienst, was ansteht. Unter Anleitung werden zum Beispiel Medikamente verteilt, Blutdruck und Blutzucker gemessen. In Coronazeiten wird auf den Zimmern gefrühstückt, je nach individuellem Befinden gibt es dann auch verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten wie Gymnastik, Leserunden, Basteln oder anderes – alles auf Abstand, in festen Gruppen in den Wohnbereichen. Angehörige dürfen wieder zu Besuch kommen – mit Test und Anmeldung, wie es den gesetzlichen Regelungen für Pflegeeinrichtungen Ende Mai in Hessen entspricht. „Auch wir Geimpften müssen noch zweimal pro Woche einen Test machen“, erzählt Lodin.
Zuhören können
Im Wohnbereich ist er unter Anleitung für eine kleine Gruppe von Bewohnern und Bewohnerinnen zuständig. „Viele wollen gerne erzählen“, sagt der junge Mann. „Ich höre gerne zu. Und manche fragen mich auch aus.“ Natürlich habe er seine „Lieblinge“ – „zu einem Ehepaar gehe ich besonders gerne, die sind immer so lustig und machen viele Späße mit mir.“ Pflegedokumentation gehört auch dazu, natürlich müssen alle Medikamentengaben oder auch Trinkmengen festgehalten werden. Das wird mittlerweile nicht mehr mit Stift und Tabelle auf Papier gemacht, sondern am Computer, was Zeit spart. Und um 15 Uhr endet der Frühdienst. Dann nimmt Assadullah Lodin den Bus nach Hause und legt sich erstmal ein bisschen aufs Ohr, bevor dann weiteres Lesen und Lernen angesagt ist. Ausbildungsreferentin Andrea Kristionat ist sehr angetan von dem motivierten jungen Mann. „Es macht uns Freude, ihn während der Ausbildung zu begleiten und zu erleben, wie er seine Kompetenzen entwickelt und dabei immer den Menschen und sein Umfeld im Blick hat.“
(von Anja Baumgart-Pietsch)