Die zehnjährige Elena (links) und die siebenjährige Maxima bei der Fell- und Beziehungspflege bei Esel Urmel.

Der neunjährige Hugo füttert Esel Janosch mit einem Leckerli.

Eselsbrücken für Campus-Schüler:innen

Von und mit Tieren zu lernen ist für die Schulgemeinde am Campus Klarenthal eine lieb gewonnene Tradition. Zuletzt haben dabei Hühner und Hunde als Co-Pädagogen gewirkt. In der ersten Dezemberhälfte ist nun zusätzlich ein Pilotprojekt mit drei Eseln gestartet. Möglicherweise der Auftakt zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit.

„Wir werden sehen, ob die Esel auf dem Weg zur Fasanerie beim nächsten Mal hier abbiegen wollen oder einen großen Bogen machen“, erläutert Udo Schläfer schmunzelnd. Denn die drei Grautiere Janosch, Urmel und Emil, die sonst auf einer Weide unterhalb von Schloss Freudenberg leben, sind drei- bis viermal pro Woche bei Wanderungen im Einsatz. Wenn sie also demnächst in der Nähe des Campus Klarenthal vorbei laufen, könnte ihre Reaktion Aufschluss darüber geben, ob die Esel sich hier wohl gefühlt haben. Angesichts der liebevollen Zuwendung, die sie zu diesem Zeitpunkt gerade von Grundschulkindern der Helianthus-Klasse erfahren, besteht kaum ein Zweifel, dass sie sich vom Schulgelände eher angezogen als abgestoßen fühlen werden. Nach der morgendlichen Fütterung steht gerade die Fellpflege auf dem Programm. „Gut, dass Du das auch an den Beinen machst. Die vergisst man oft“, lobt Maria Wippel die zehnjährige Elena. Die Schülerin kennt sich mit dem Striegeln aus, weil sie seit einem Jahr ein Pferd hat. Bei den Eseln genießt sie, dass man aufgrund der Größe so gut mit ihnen kuscheln kann. Zumindest mit Urmel und Emil, Janosch ist manchmal empfindlicher. „Er ist ein bisschen sensibel und sagt: Lass mich jetzt grade mal in Ruhe“, erläutert Udo Schläfer den drei Jungs, vor deren Fürsorge sich der Wallach in diesem Moment zurückzieht.

Von Vierbeinern lernen

Nachmittags kümmern sich Schüler der Sekundarstufe um die Tiere. In der zweiten Woche wird außerdem die Schülerschaft der Schule am Geisberg in das Projekt eingebunden. Zwei Schulwochen lang ist es jedoch die Helianthus-Klasse, die sich jeden Morgen um die Grautiere kümmert. Dabei haben die Kinder schon viel gelernt. „Esel können besser hören und sehen als wir. Sie können mehr nach der Seite sehen und ihre Ohren nach beiden Seiten drehen“, berichtet die siebenjährige Svea. Während Janosch und Urmel Anfang zwanzig sind, ist Zwergesel Emil mit Mitte zwanzig der Chef. Um sein Fell kümmern sich gerade Hugo und Fazza. „Esel sind sehr ruhige Tiere“, hat der neunjährige Hugo beobachtet. Vielleicht haben sie deshalb auch eine beruhigende Wirkung selbst auf besonders lebhafte Kinder, wie es bei einem Jungen aus der Helianthus-Klasse der Fall ist. „Er ist richtig ruhig geworden, als er den Esel gehalten hat. Sonst rennt er immer rum“, berichtet der achtjährige Henri. Auch seine Klassenlehrerin freut sich über diesen Effekt. „Endlich hat er mal Verantwortung übernommen“, lobt Elke Bonn, die Leiterin der Montessori-Grundschule.

Keineswegs die einzige positive Erfahrung, die die Pädagogen bereits aus der ersten Woche des Pilotprojekts mitgnehmen. So hat ein Mädchen, das selbst wegen seiner Art oft aneckt, Esel Janosch für sein Verhalten gegenüber Mitschülern verteidigt. „Die Tiere sind tolle Co-Pädagogen. Jedes Kind hat Themen, die im täglichen Unterricht ein bisschen untergehen“, erläutert Lehrerin Katja Neinert. In einer Schule, in der Inklusion sehr ausgeprägt gelebt wird, wird auch oft hinterfragt, warum nicht für alle gleiche Regeln gelten. Etwa wenn es einem Kind mit Trisomie gestattet wird, dass es über die Tische läuft. „Es wäre nicht gerecht, wenn alle gleichbehandelt würden“, verdeutlicht Schulleiter Uwe Brecher. Im Pilotprojekt werde den Kindern dies nun etwa vor Augen geführt, wenn sie erleben, dass ein kleiner Esel weniger frisst, als ein großer. Eines von vielen spannenden Themen, die über tiergestützte Pädagogik vermittelt werden können. Das Eselprojekt wolle man daher auf jeden Fall wiederholen. Wenn es sich finanzieren lässt, könnte der Ansatz sogar verstetigt werden. „Es wäre mein Traum, das auszubauen. Wir haben das Gelände. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, eine Gruppe Esel oder Schafe hier zu halten“, erläutert Katja Neinert. Schließlich seien die Tiere ein tolles Medium, um unter anderem zu vermitteln, dass es Grenzen zu akzeptieren gelte. Nicht zuletzt, weil sie wesentlich körperlicher kommunizieren, als Menschen. (Text und Fotos: Hendrik Jung)