EVIM Kunstprojekt Mal_anders trotz(t) Corona - Ausstellungsbeteiligung im Fokus

Hell erleuchtet ist das Malatelier in der Wiesbadener Pfitznerstraße an diesem Oktoberabend. Nach und nach treffen die Art-Brut-Künstlerinnen und Künstler ein, die meisten nach ihrem Arbeitstag in den Werkstätten. Hier finden sie Raum und Zeit, um zu malen und sich künstlerisch zu verwirklichen.

Stefan Knapp sitzt in sich versunken am großen Tisch vor einem leeren Blatt Papier. Entschlossen greift er zum roten Ölpastellkreide-Stift und zeichnet Kreise. Mit einem faszinierenden Farbgefühl füllt er diese aus. Artjom Chepovetskyy gibt ihm behutsam eine Anregung im Schaffensprozess. Der 36jährige ausgebildete Künstler und Philosoph begleitet das seit mehr als zwei Dekaden etablierte EVIM Kunstprojekt seit über vier Jahren. „Stefan Knapp setzt sich künstlerisch mit der Darstellung von Kreisen auseinander“, erläutert er und öffnet dessen umfangreiche Mappe. Darin sind kreisförmige Gebilde in unterschiedlichsten Größen und Farbkompositionen. Einige zieren die Wand im Malatelier als Papierinstallationen, die eine suggestive Anziehungskraft haben. Unterdessen schneidet Stefan Knapp die neuen Kreise aus, klebt sie aneinander und schafft so, anhand der archaischen Formen, ein eigenständiges Kunstwerk.

Ihm gegenüber sitzt Christian David Martiny, der sein favorisiertes Sujet, Gesichter, in einer staunenmachenden Vielfalt zeichnet. Über die Jahre gelang es Chepovetskyy, den Künstler Schritt für Schritt anzuregen, die gewohnten Gesichter in ihrer Formensprache zu erweitern. Als Hilfsmittel dienten dazu Kunstdrucke mit rituellen Masken als plastische Gebilde. Christian Martiny zeichnet gerne mit Filz- und Buntstiften. Seine teils naiv, teils surreal anmutenden Kunstwerke sind oft in Ausstellungen zu sehen und finden dort viel Beachtung. Der Künstler zeigt seine Freude über sein neuestes Werk an diesem Abend mit „Daumen hoch“. Fasziniert ist auch Chepovetskyy von den wunderbar konstrastierenden Mustern in den Flächen.

Um das Werk und seine Wirkung optimal zur Geltung zu bringen, ist die Rahmung bekanntermaßen von erheblicher Bedeutung. „Holzrahmen oder das Aufziehen der Werke auf unterschiedlichem Material, kostet viel Geld“, berichtet der künstlerische Leiter. Das Projekt finanziert sich vor allem über Spenden von Förderern und Kunstfreunden und aus dem Verkauf der Werke. Neben der eigenen Netzwerkarbeit spielen dafür Ausstellungen eine wichtige Rolle, wie die Gemeinschaftsausstellung in der Outsider-Art-Galerie in Wiesbaden anlässlich deren fünfjährigen Bestehens. Zunächst für März diesen Jahres geplant musste sie coronabedingt verschoben werden. Nun soll die Ausstellung am 27. November 2020 in der Konradinerallee eröffnet werden. Von Mal_anders sind neben Christian Martiny, Heidi Lose und Stavros Konstandinidis auch Fatou Yassy-Tourray und Ralf Ullrich vertreten. An diesem Abend kommen die beiden erst spät zum Malatelier. Ralf Ullrich ist müde und hat Kopfschmerzen. Auf der Staffelei steht sein begonnenes Werk, eine abstrakte Acryl-Malerei. In Schichten legt er blaue Farbe auf dunkeltürkisblaue Fläche. Fatou Yassy begleitet ihn und möchte unbedingt von Artjom Chepovetskyy wissen, ob ihre Betreuer über die Ausstellungseröffnung bereits informiert sind. Sie ist begeistert von der Aussicht, dort mit ihren energievollen, farbigen Werken dabei zu sein. Ihre ansteckende Freude darüber füllt den ganzen Raum förmlich aus. 

Zweimal pro Woche kommen die Künstlerinnen und Künstler zusammen, um zu malen. Artjom Chepovetskyy gelingt es immer wieder durch seine erfrischend unkonventionelle Art und seine sensiblen Anregungen, den künstlerischen Schaffensprozess jedes einzelnen auf großartige Weise zu fördern. Eine schier unglaubliche Menge an Werken sind inzwischen entstanden, die die Präsentation in der Öffentlichkeit und die Beachtung der Kunstwelt verdienen.

Überaus erfolgreich war jüngst das inklusive Malprojekt im Rahmen der Aktion „Eintagshelden“ in Wiesbaden. Entstanden ist dabei die Außenbemalung des Ateliers von Mal_anders. „Dieses Gemeinschaftsprojekt hat eine vibrierende kreative Energie freigesetzt“, freut sich Chepovetskyy. Diese ist auch an diesem Abend wieder intensiv zu spüren. (Heide Künanz)

Artjom Chepovetskyy (2.v.l. stehend) fördert die talentierten Künstlerinnen und Künstler von Mal_anders im Atelier. Die Arbeit wird maßgeblich durch Spenden finanziert.

Kontakt für Informationen zum Projekt und zum Ankauf der Kunstwerke: Eugen Krauter, stellv. Geschäftsführer EVM Behindertenhilfe, Mail: eugen.krauter@evim.de