Freiheit, was ist das?

Gruppe „Zeitlos“ wieder mit eigenem Stück auf der Bühne

„Freiheit bedeutet für mich: Ich rolle durch die Tür und komme aus meiner Beengung raus. Ich überwinde meine Angst. Hinter der Tür erwartet mich ein buntes Leben.“ Celia Baum sitzt im Rollstuhl – sie kann mit ihm Pirouetten drehen und Geschwindigkeit aufnehmen. Dennoch begrenzt er ihre Freiheit, sie möchte fliegen, abheben. Im neuen Tanztheaterstück „Freiheit – eine Illusion“ der Gruppe „Zeitlos“ wird das ganz wunderbar symbolisiert durch zwei bunte Schmetterlingsflügel, die die Tänzerin Vera Christina Aehle plötzlich im Rücken von Celia Baum entfaltet. Nun „fliegt“ der Schmetterling, beide Frauen durchqueren zu Klaviermusik gemeinsam den Raum, ein Lächeln auf den Gesichtern.

Geprobt wird im EVIM-Wohnhaus in der Brahms-Straße. Nach monatelanger Corona- Pause freut sich die Gruppe, endlich wieder gemeinsam hier proben zu können. Es ist eines der vielen Kulturangebote, die EVIM seinen Klientinnen und Klienten macht: Theatergruppen, Malateliers, Bands, Tanzensembles. „Gleichberechtigt und selbstbestimmt am Leben in seiner ganzen Vielfalt teilhaben“, dazu gehören eben nicht nur Betreuung und Wohnen, sondern auch Möglichkeiten zum Arbeiten und zur kulturellen Betätigung. Denn das schafft Erfolgs- und Gemeinschaftserlebnisse und trägt zur gleichberechtigten Teilhabe bei. Um so mehr, als den Gruppen stets die Möglichkeit zum öffentlichen Auftritt gegeben wird. So auch bei „Zeitlos“: Die Tanztheatergruppe, die seit über 20 Jahren regelmäßig mit großer Freude eigene Stücke erarbeitet, zeigt diese auf der Kleinkunstbühne „thalhaus“ im Nerotal, meist als Bestandteil des jährlichen kommunalen Festivals „Wiesbaden tanzt“. Das ist auch in diesem Jahr so.

Es gibt bei den Stücken immer ein Motto, das gemeinsam erarbeitet und anschließend von der Gruppe mit Leben gefüllt wird. „Freiheit“ habe sich in diesem Jahr angeboten, sagt Tanztherapeutin Katharina Weil, seit Jahren mit der Gruppe verbunden. Die Corona-Bedingungen haben allen ein Stück Freiheit genommen, sei es, weil man Masken tragen muss – was auch auf der Bühne vorkommen wird -, sei es, dass die Gruppe monatelang gar nicht gemeinsam proben konnte, weil ihre Mitglieder aus drei Wohneinrichtungen von EVIM kommen, die sich nicht „mischen“ durften. Im August aber war  das Proben im Untergeschoss des Hauses in der Brahms-Straße wieder möglich, und die Gruppe bereitete sich jeden Montag auf die beiden öffentlichen Auftritte vor.

Selbst verfasste Texte zum Thema „Freiheit“ und im Zusammenspiel entwickelte Bewegungs-Szenen bilden eine Collage, bei der auch viel improvisiert wird. Denn hier entfalte sich immer ein Prozess, meint Katharina Weil. Freiheit bedeutet hier eben auch, dass man nicht eine Inszenierung einstudiert, Texte auswendig lernt, sondern ausreichend Platz für Persönliches lässt. Das wird dann aber nicht zu etwas Beliebigem, sondern folgt dem roten Faden des gewählten Themas. Und ist auch mit einigem Aufwand verbunden. So hat man eine dreiflügelige Drehtür gebaut, die eine wichtige Rolle spielt: Türen können geöffnet oder verschlossen werden, bei dieser kann jeder selbst wählen, ob man hindurchgehen kann: Denn alle, auch die Rollstuhl- und Rollatornutzer, können die auf Rollen laufende Tür eigenständig bewegen und in einen Dialog mit jenen treten, die sich hinter der Tür befinden. Überraschungen inklusive. „Von dieser Aufführung können alle etwas mitnehmen, Mitwirkende wie auch das Publikum“, sagt Tänzerin Vera Aehle, die ihre eigene Teilnahme an dem Projekt als „besonderes, großes Geschenk“ bezeichnet.

Aufführungen im thalhaus: 17. Und 18. September, jeweils 20 Uhr, Karten unter www.thalhaus.de