Und den jungen Mann, den er aktuell als Pate betreut, stellt er als „meinen Freund Sahel“ vor. Man glaubt dem 61-Jährigen sofort, dass er hier das Richtige gefunden hat. Sogar seinen Beruf hat er, obwohl noch nicht im Ruhestand, „deutlich zurückgefahren“ – in Absprache mit seiner Frau. Der Diplom-Kaufmann aus Taunusstein nahm 2015 die vielen ankommenden Geflüchteten wahr und hatte gleich den Gedanken, hier reagieren zu müssen. „Wenn das funktionieren soll, müssen wir alle was dafür tun“, habe er sich gedacht. Da sah er die Anzeige des neuen Patenprogramms „Be Welcome“ von EVIM, sprach vor – und entschied sich gleich dafür.
Not sehen und handeln
„Mein erster Pate war ein junger Mann aus dem Iran, ein Ingenieur“, erinnert er sich. Ihm half er bei der Wohnungssuche, beim Nachholen eines deutschen Universitätsabschlusses. „Jetzt ist er wunderbar integriert“, sagt Lang. Es folgte ein junger, körperbehinderter Mann aus Afghanistan. Auch für ihn fand er eine Wohnung, half ihm nach einer beidseitigen Hüftgelenksoperation. Er habe den Hauptschulabschluss gemacht und bereite sich jetzt auf den Realschulabschluss vor. „Und dann kam mein Freund Sahel.“ Der Syrer erzählt, wie sich die beiden kennen lernten: „Friedel hatte einen Fernseher in der Unterkunft abgeben wollen. Er hat einfach bei mir angeklopft. Ich hatte aber schon einen Fernseher. Doch wir sind gleich ins Gespräch gekommen.“ Friedel Lang nahm wahr, wie wenig Ruhe es für den Maschinenbaustudenten in der Gemeinschaftsunterkunft gab, dass er kaum zum Lernen kam. Er kümmerte sich um eine Wohnung und auch sonst um viele Hürden im täglichen Leben. Mittlerweile hat Sahel Saleh seine Frau nachgeholt, die Informatikerin erwartet ihr erstes Kind. Die junge Familie sucht derzeit dringend eine passende Wohnung in Wiesbaden. Das Studium verdient sich der junge Syrer als Pizza-Ausfahrer. Mit Friedel Lang hat er einen engagierten Paten gefunden, der ihm auch vieles über die deutsche Kultur beibringt. „Das ist so wichtig“, sagt der Syrer und berichtet von einem Missverständnis, mit dem er wohl bei vielen anderen ins Fettnäpfchen getreten wäre: „Ich habe ihm einen Stein mit einem Spruch geschenkt, weil ich ihm meine Dankbarkeit ausdrücken wollte. Doch Friedel hat gelacht und gemeint, so einen Stein legt man hierzulande auf ein Grab.“ Das konnte der Syrer natürlich nicht wissen. Umso wertvoller ist es, dass er genau solche Dinge im Alltag mit und von Friedel Lang lernt.
Wichtiger Teil der eigenen Geschichte
Dieser hat sich seinem Ehrenamt mit Leib und Seele verschrieben, hat selbstverständlich seine Handynummer rausgegeben, ist immer für seine Schützlinge erreichbar. Doch er sieht das als Partnerschaft auf Gegenseitigkeit. „Ich habe selbst so viel davon“, sagt er. Nicht jeder im mittlerweile fünf Jahre bestehenden Patenschaftsprogramm „Be Welcome“ engagiert sich so stark, aber das sei auch nicht gefordert, sagt Projektleiterin Andrea Walter. Es müsse eben alles „passen“ – sowohl zeitlich als auch persönlich. Bei Friedel Lang tut es das, für ihn ist es „mittlerweile ein wichtiger Teil meiner eigenen Geschichte“. Dass er selbst täglich dazulernt, „über andere Menschen, über andere Kulturen“, ist etwas, das er nicht missen möchte. „Ich bin sehr glücklich“, sagt der Taunussteiner, der das mittlerweile gar nicht mehr so gut gemeinte Prädikat „Gutmensch“ weit von sich weist. „Das, was ich hier bekomme, ist viel mehr wert als das, was ich abgegeben habe“, damit meint er seinen Hauptberuf. Dass seine Hilfe wirkungsvoll ist, seine Schützlinge durch seinen Einsatz gut in der deutschen Gesellschaft ankommen, lässt ihn weiter viel Zeit in diesen ganz besonderen „Freiwilligendienst“ investieren.
von Anja Baumgart-Pietsch
Foto (privat): Friedel Lang mit seinem Schützling und Freund Sahel Saleh.