Impulsvorträge, engagierte Diskussionen und Wissenstransfer in den Workshops für rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Fachbereichsleiter Klaus Friedrich: "Das Schutzkonzept jetzt mit Leben erfüllen und weiterentwickeln!"

Prof. Dr. Köbel: "Beziehungsaufbau ist das "Handwerk" in der Sozialen Arbeit."

Prof. Dr. Höblich: "Schutzkonzepte sind Teil der Organisationsentwicklung."

Führten durch die Veranstaltung: Claudia Grilletta vom Organisationsteam und Klaus Friedrich.

Kick-Off für das Schutzkonzept der EVIM Jugendhilfe

Anfang Juli diesen Jahres wurde das Schutzkonzept der EVIM Jugendhilfe veröffentlicht. Es ist das erste allumfassende Regelwerk, das die Grundlage dafür bietet, für junge Menschen und Mitarbeitende, von denen sie Hilfe erhalten, sichere Orte zu schaffen. Das Schutzkonzept stand gestern im Mittelpunkt eines Fachtages, an dem rund 120 Mitarbeitende aus allen Betreuungsangeboten teilnahmen. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Referat Personalentwicklung und Kooperation in den Räumlichkeiten am Campus Klarenthal.

Neu ist die Thematik für den Fachbereich nicht, denn seit der SGB VIII Reform im Mai 2021 ist ein Schutzkonzept verpflichtend für alle Träger der Jugendhilfe. Dabei konnte die EVIM Jugendhilfe auf jahrelange Vorarbeit aufbauen. Ihr etabliertes Konzept „Sichere Ort gestalten“ und weitere Grundlagen wie das Partizipationskonzept, das Einrichtungskonzept, das Personalkonzept oder das Notfallmanagement flossen in das neue Regelwerk ein. Erweitert wurde es jüngst durch das Medienpädagogische und das Sexualpädagogische Konzept. Daher war das Ziel des Fachtages ganz im Sinne der „Lernenden Organisation“, das Schutzkonzept mit Leben zu füllen, damit der Transfer in die Praxis gelingt. So gut, wie zum Beispiel beim Kinderrechteprojekt, das als Projekt des Monats vom Deutschen Kinderschutzbund im Juli diesen Jahres ausgezeichnet worden ist oder bei der Kids-App unter dem Motto „EVIM connect“, die im Fachbereich entwickelt wird.

Der Fachtag bot mit hochkarätigen Impulsvorträgen von Prof. Dr. Nils Köbel und Prof. Dr. Davina Höblich einen erstklassigen Einstieg. Der Referent, der Pädagogik an der Katholischen Hochschule Mainz lehrt, sprach über das Schutzkonzept aus Sicht der Adressat:innen und stellte Bindung und Sozialpädagogik in den Mittelpunkt seines Vortrages. Ergebnisse aus der Bindungsforschung zeigten, dass die Qualität der Beziehung zur primären Bezugsperson maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen habe. Nähe und Distanz aufbauen und herstellen zu können, sind daher auch grundlegend für eine professionelle Beziehungsgestaltung. „Hierbei geht es um alles“, sagte der Referent mit Nachdruck. Die Bindungsorientierte Sozialpädagogik stelle daher die Frage: „Was können wir tun, damit Kinder neue Erfahrungen machen können, die anders sind als das bisher Erlebte und ihnen dadurch Entwicklung ermöglichen?“ Das gehe nur über Beziehungsaufbau, das „Handwerk“ der Sozialarbeiter:innen, so Prof. Dr. Köbel mit Verweis auf das Schutzkonzept, denn die Beziehungsgestaltung erfordere Reflexion und müsse ständig überprüft werden.

In seinem Vortrag referierte er auch über die Bindungsorientierten Erziehung und beschrieb zunächst unterschiedliche Erziehungsstile in der jüngeren Geschichte. Aufgabe der Fachkräfte sei es heute, jungen Menschen Raum zu geben, über Gefühle offen zu reden. Das ermögliche ihnen, ihre Kräfte zu entfalten und sich weiter zu entwickeln. Dafür brauche es unter anderem klare Regeln, Strukturen und einen verbindlichen Rahmen. Handlungsanleitungen für die Praxis unter den Stichworten Selbstkontrolle, Deeskalation und Unterstützung rundeten den Impulsvortrag ab.

Prof. Dr. Höblich, Hochschule RheinMain, machte in ihrem Impulsvortrag an Hand von Forschungsergebnissen deutlich, wie häufig junge Menschen von sexuellem Missbrauch betroffen sind. „Ein bis zwei Schülerinnen pro Klasse haben sexuelle Gewalt erlebt oder werden sie im Laufe ihrer Schulzeit erleben. 25 Prozent geschieht davon im engsten Familienkreis und etwa die Hälfte im sozialen Nahraum.“ Daher brauche es ein Schutzkonzept, um Täter:innen keinen Raum für Missbrauch zu geben. Schutzkonzepte, wie das von EVIM entwickelte, bieten nicht nur Antworten auf Fragen, um Missbrauch zu verhindern, sondern sind in ihrer Bedeutung auch Teil der Organisationsentwicklung. Sie machen eine Organisation nicht nur für Kinder und Jugendliche zu einem sicheren Ort, sondern auch für Mitarbeitende.

Interessante Ergebnisse zeigte ihre Analyse der zentralen Bestandteile eines Schutzkonzeptes im Vergleich zum EVIM Konzept, wobei sie sehr viele Übereinstimmungen feststellen konnte. In der anschließenden Diskussion ging es bereits um konkrete Beispiele aus der Praxis, was in den einzelnen Workshops zu den Themen Sucht, Medien, Partizipation, Sexualpädagogik, Notfallmanagement, Care Leaver sowie Personalverantwortung und Verhaltenskodex seine Fortsetzung fand. 

Für Klaus Friedrich, Fachbereichsleiter, sind mit dem Schutzkonzept die Grundlagen für die EVIM Jugendhilfe erstellt. „Jetzt kommt es darauf an, wie wir es in den einzelnen Einrichtungen unter der Maßgabe umsetzen, dass das einzelne Kind, der einzelne Jugendliche mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Themen wie „Nähe und Distanz“, Verantwortungsverhältnisse und Anforderungen im Rahmen einer Risikoanalyse sind Aspekte, die nun diskutiert werden müssen, „damit das Schutzkonzept nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch gelebt und weiterentwickelt wird.“ (hk)