"Kochen ist genau mein Ding" - Über das Budget für Arbeit in die Festeinstellung inklusiv

(evim) Einer der ersten Mitarbeiter im Rhein-Main-Gebiet, die durch das Budget für Arbeit den Sprung aus einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft haben, ist Aaron Hess (28). Seit Anfang November ist der gelernte Koch mit einem klassischen Arbeitsvertrag bei „neighbourFood“, der Kantine für rund 180 Mitarbeiter der ANWR GROUP Zentrale in Mainhausen, fest angestellt.

Hess lebt in Hofheim und kam vor sechs Jahren nach erfolgloser Arbeitssuche auf Grund seiner geistigen und körperlichen Beeinträchtigung an die WfbM Schlockerhof in Hattersheim, zunächst zwei Monate in den Berufsbildungsbereich. Die dortigen Fachkräfte für berufliche Integration förderten den jungen Mann und vermittelten ihn in betriebsintegrierte Beschäftigungsplätze (BiB) in Unternehmen außerhalb der Werkstatt. Im Industriepark Höchst lernte er 2012 seinen heutigen Küchenchef Kelvin Otten kennen. „Als ich damals gefragt wurde, ob ich einen behinderten Praktikanten ins Team aufnehmen würde, hatte ich zunächst Vorbehalte“, erinnert sich Otten. Doch die „Chemie“ zwischen beiden stimmte. „Aaron passte einfach gut zu uns“, so Otten. „Er ist teamorientiert, freundlich und insgesamt eine Bereicherung.“ Otten förderte und forderte den jungen Mann nach besten Kräften und wurde so quasi zu seinem Paten. Gemeinsam hatten sie das Ziel, dass Aaron Hess über eine Festeinstellung sein eigenes Leben aufbauen könne. Doch bis dahin waren noch einige Hürden zu überwinden, darunter auch ein kurzzeitiger berufsfremder Einsatz von Hess als Lagerist.

„Kochen ist genau mein Ding“, ist Aaron Hess überzeugt. Mit Kelvin Otten an seiner Seite überwand er manche Selbstzweifel und kam auch fachlich voran. Im Herbst 2018 kam dann genau das richtige Arbeitsangebot aus Mainhausen: Pierre Humpert, Koch, Lebensmitteltechniker und Ernährungswissenschaftler wagte mit dem Unternehmen neighbourFOOD UG den Sprung in die Selbstständigkeit und suchte dafür zuverlässiges Personal. Otten sagte zu und brachte Anfang Januar auch Aaron Hess mit, der zunächst als Mitarbeiter des Schlockerhofes auf einem Außenarbeitsplatz im neuen Küchenteam beschäftigt war. Nach Antragstellung auf das Budget für Arbeit und einer mehrmonatigen Wartezeit kam im Oktober die erhoffte Finanzierungszusage über den Landeswohlfahrtsverband. „Im Unterschied zu ausgelagerten Arbeitsplätzen erhalten Menschen mit Behinderung, die im Rahmen eines Budgets für Arbeit tätig sind, einen klassischen Arbeitsvertrag, der entsprechende Arbeitnehmerrechte beinhaltet und eine vollständige betriebliche Integration in das Unternehmen ermöglicht“, erläutert Ralf Thies, Fachbereichsleiter für berufliche Integration am Schlockerhof in Hattersheim. „Trotz des Arbeitsvertrags und des Arbeitnehmerstatus bleiben die Budgetnehmer dauerhaft voll erwerbsgemindert und daher Rehabilitanden im Sinne der Eingliederungshilfe. Dies bedeutet, dass sie ein uneingeschränktes Rückkehrrecht in die Werkstatt besitzen“, sagt der Fachexperte, der seit zehn Jahren Klienten auf ihrem Weg in Unternehmen außerhalb der WfbM begleitet. Durch eine Kombination aus finanzieller Unterstützung an den Arbeitgeber – einem sogenannten Beschäftigungssicherungszuschuss – und kontinuierlicher personeller Unterstützung am Arbeitsplatz – der Betreuungsleistung bietet das Budget für Arbeit mehr Sicherheit und deutliche Vorteile für alle Beteiligten. „Wir wollen gute Beispiele sichtbar machen“, so Thies über diese Erfolgsstory. Sie sei ein gutes Beispiel dafür, dass Werkstätten für Menschen mit Behinderungen keine Endstationen für die Klienten sind. Zwei weitere Antragstellungen werden derzeit vorbereitet.

Heute gehört Aaron Hess mit allen Rechten und Pflichten zum 20-köpfigen Küchenteam. Er ist glücklich, dass er hier nicht nur einen festen Arbeitsplatz hat und „seinen Lieblingschef“, sondern auch die kontinuierliche personelle Unterstützung und Betreuungsleistung, die er braucht. „Aaron Hess kann sich hier verwirklichen“, sagt Otten. Er ermutigt ihn, selbst Rezepte zu recherchieren und auszuprobieren. „Wir haben hier viel Freiheit, kreativ zu sein“, freut sich Otten. Das passt genau in das Konzept von Betriebsleiter Humpert, der sich gern auch von den Wünschen seiner Mittagsgäste zu Neuem inspirieren lässt. Nachhaltigkeit und Regionalität sind nicht nur fest in seiner Unternehmensphilosophie verankert, sondern auch in seiner persönlichen Lebenseinstellung. Der Firmenchef setzt auf einen familiären Umgang und ist von dem großen Miteinander am Standort der  ANWR GROUP begeistert. Für Aaron Hess ist der neue Arbeitsplatz die Chance seines Lebens. Dafür steht der Hofheimer sehr gerne jeden Morgen um vier Uhr auf. Mit seinem auskömmlichen Gehalt rückt jetzt auch eine eigene Wohnung in erreichbare Nähe. Darauf freut sich der 28jährige ganz besonders, der derzeit mit seiner Mutter und seiner Tante in einer gemeinsamen Wohnung lebt.
Foto (EVIM): (v.l.n.r.) Ein starkes Team macht Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt möglich - Kelvin Otten, Aaron Hess und Pierre Humpert.