Vorbildliche Zusammenarbeit für das Miteinander im Quartier: Peter Kiel (links) und Andreas Schmidt

Quartiersmanagement - Pflege der Zukunft?

Die Schere klafft immer weiter auseinander: Es gibt immer mehr ältere Menschen und damit immer mehr, die möglicherweise einmal pflegebedürftig werden. Und es gibt gleichzeitig immer weniger Fachkräfte, so dass beispielsweise stationäre Pflegeeinrichtungen dazu gezwungen sind, Plätze abzubauen, obwohl die Nachfrage steigt. Wie kann man diese Situation entschärfen? Ein gutes Konzept ist der Quartiersansatz.

EVIM verwirklicht ihn bereits seit 2016 mit sehr guten Erfahrungen im Wiesbadener Eigenheim-Viertel. Dort befinden sich besonders viele Wohnhäuser für Ältere, die zu EVIM gehören. Nicht nur das Ludwig-Eibach-Haus, eine stationäre Pflegeeinrichtung, sondern eben auch zahlreiche Häuser mit Service-Wohnen. Das kommt dem Wunsch der meisten Senior:innen entgegen, möglichst lange selbstständig wohnen zu können.

Wirksame und zuverlässige Partnerschaft

Als Partner konnte man den Wiesbadener Pflegedienst Thomas Rehbein gewinnen. Dieser installierte ein Team mit sechs Pflegekräften, die sich derzeit um rund 70 Kund:innen kümmern. Das ist von großem Vorteil, weil immer die gleichen Personen zu den Menschen kommen und dadurch Beziehungen entstehen können. Es bietet aber noch weitere Vorteile. So ist es durch den Quartiersansatz möglich, dass die Pflegenden zu Fuß oder mit dem E-Bike, nur im absoluten Ausnahmefall auch mal mit einem Auto unterwegs sind. Der Radius, in dem hier gearbeitet wird, erklärt Projektmanager Andreas Schmidt vom Pflegedienst Rehbein, beträgt nur etwa 500 Meter. Dabei sind auch Menschen im angrenzenden Einfamilienhausquartier. Sie alle sind zu Fuß zu erreichen und die Wege somit kurz, ebenso die Reaktionszeit bei eventuellen Notfällen. „Denn viel Zeit geht den Pflegediensten verloren, wenn sie mit dem Auto lange Strecken fahren und vor Ort Parkplätze suchen müssen“, erklärt Peter Kiel, Leiter ServiceWohnen bei EVIM. Dieser Zeitfaktor, der bis zu 25 Prozent der Arbeitszeit binden kann, fällt hier völlig weg. 

Anfangs habe es auch eine Nachtbereitschaft gegeben, erklärt Kiel, diese sei jedoch kaum in Anspruch genommen worden. Die Kundschaft ist am Hausnotruf der Malteser angeschlossen, tagsüber kommen dann die Rehbein-Mitarbeitenden, ist doch mal nachts ein Notfall aufgetreten, erscheinen die Malteser selbst. „Das bietet fast stationäre Sicherheit“, meint Andreas Schmidt, „aber die Menschen wohnen zu Hause, sind selbstständig, so wie es sich die meisten wünschen. Wir konnten auf diese Weise auch schon einige mit dem höchsten Pflegegrad betreuen.“ Auch bei der Einstellung von Personal hat das einen Vorteil: Denn es ist längst nicht mehr selbstverständlich, dass die Bewerber:innen einen Führerschein besitzen. „Das ist oft eine Einstellungshürde“, sagt Andreas Schmidt. Auch diese fällt hier weg.

Sozialer Mittelpunkt geschaffen

Eine ideale Lösung also, die eigentlich noch viel weiter verbreitet sein müsste. Dazu benötigt es aber Partner, die so gut zusammenarbeiten wie EVIM und der Pflegedienst Rehbein. EVIM bietet neben den Wohnungen auch Hilfe zum sozialen Zusammenhalt an, zum Beispiel über den Betrieb des „Café Son(n)derbar“. Das war vor der Coronaphase das „Bistro Miss Marple“, berichtet Peter Kiel, doch das Konzept erwies sich nicht als attraktiv und lockte vor allem wenige externe Besucher:innen an. Während Corona standen die Räume im Quartier dann einige Zeit leer, bevor mit einer privaten Betreiberin ein Neuanfang gewagt wurde: Nun heißt die Location „Café Son(n)derbar“, ist umgestaltet, hält ein angepasstes Angebot bereit. Eine Poststelle ist außerdem hinzugekommen, die im Quartier sehr beliebt ist. Veranstaltungen gibt es, es wird auch mal Fußball dort geschaut – das Geschäft brummt, der so wichtige soziale Mittelpunkt ist entstanden. Ein Erfolg, der auch von der Stadt Wiesbaden geschätzt wird, denn natürlich machen sich auch die Planer der kommunalen Altenarbeit Gedanken darüber, wie man die kommende Lage beherrschen kann. Da leistet das Quartiersprojekt aktive Daseinsvorsorge im Rahmen des sozialen Gefüges der Stadt, meint Peter Kiel. Daher unterstützt die Stadt dieses Projekt auch im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Es wurde zu Anfang auch wissenschaftlich evaluiert.

Mehr Zufriedenheit in vielen Belangen

Eine digitale Quartiersplattform hat es während der Coronazeit gegeben, dieses Angebot ist nun wieder etwas reduziert worden, aber auch dies werde auf Dauer nicht gänzlich in der Versenkung verschwinden, versprechen die Macher. „Ohne das geht es in Zukunft sowieso nicht“, so Peter Kiel. Die soziale Quartiersmanagerin Cornelia Baumbach kümmert sich um diese Themen, ist ebenso wie ihre pflegerische Kollegin Stefanie Dewes immer vor Ort anzutreffen. „Unsere Türen sind offen“, sagt Andreas Schmidt. Das baut Hemmschwellen ab, die bei vielen älteren Kund:innen noch oft da sind. Fragen werden beantwortet, Formulare und Anträge gemeinsam ausgefüllt: Kaum ein Wunsch muss offen bleiben. Und auch die Mitarbeitenden sind zufrieden: „Die Fluktuation ist gering, die Kollegialität hoch“, sagt Andreas Schmidt. Man bemühe sich um gute Arbeitsbedingungen, ein gutes Gehalt, Flexibilität, spezielle Vorteile, um die Fachkräfte an die Firma zu binden. Auch Ausbildungsplätze werden angeboten.  Das könnte die Zukunft der Pflege sein – und den heutigen „Jungsenior:innen“ möglicherweise auch die Angst nehmen, nicht mehr richtig versorgt zu werden, wenn Bedarf bestehen sollte. (abp)