Retrospektive „Farbige Zeiten“ im Katharinenstift

Jeden Donnerstag kommt Oliver Schultz in das Katharinenstift in Wiesbaden. Der Kunstpädagoge hat sich auf das Malen mit Menschen mit Demenz spezialisiert. Seit zehn Jahren begleitet er professionell und mit Hingabe dieses Angebot. Anlässlich des Jubiläums zeigt eine wunderbare Retrospektive staunenswerte Bilder, die in dieser Zeit entstanden sind. Eröffnet wurde sie Anfang März. 

Das Café im Katharinenstift ist zur festlichen Vernissage bis auf den letzten Platz gefüllt. Viele der etwa 25 Malerinnen und Maler, begleitet von ihren Angehörigen und Pflegenden, sind mit unter den Gästen. An den Wänden hängen in weißen Rahmen zahlreiche Werke der etwa 50 (!) Bilder umfassenden Schau. Zwei weitere Ausstellungsflächen befinden sich in den Wohnbereichen und an genau den Orten, wo wöchentlich gemalt wird. Über diese Idee von Einrichtungsleiterin Anna Eisold, die Wirkungsorte des Malangebotes „Farbzeit“ mit in die Ausstellung einzubeziehen, freut sich Oliver Schultz ganz besonders: „Bilder sind Erinnerungen. Sie sind ein Stück Lebensspiegelung und Spuren von der Ausdrucksqualität der Bewohnerinnen und Bewohner.“ Deshalb wurden bewusst auch Werke von bereits verstorbenen Teilnehmern in die Präsentation mit einbezogen. Nicht nur für Oliver Schultz ist das ein sichtbares Zeichen für „ein Haus, wo man gerne mit anderen Menschen in Beziehung treten will.“ Gisela Weber begleitet ihre Mutter Gerda Brux zur Vernissage, die seit sieben Jahren in der Farbzeit malt. Die Tochter ist begeistert von der Professionalität und der Empathie des Kunstpädagogen. „Seine liebevolle Art und seine feine Ausstrahlung wirken so positiv und wohltuend.“ 

Beeindruckende Vielfalt 

Die Farbzeit richtet sich an alle Bewohnerinnen und Bewohner. „Nicht das Können steht im Mittelpunkt“, so Schultz, „sondern die Freude, mit Linien und Farbe etwas auszudrücken.“ Die Retrospektive vermittelt einen wunderbaren Eindruck davon. Im Café erinnern zum Beispiel die fast expressiven Bilder an Anneliese Ehrengart. Farbenfroh leuchten die abstrakten Motive von Ruth Buchwald und Irma Bender. Einen schönen Kontrast dazu setzt das Bild „Friedenstauben“ von Dora Riedel, die das weltweit bekannte Symbol künstlerisch darstellte. Heitere Motive malt Gisela Brahm, wie nicht nur die Paradiesgartenszene so originell zeigt. Ein Elefant, dessen Beine himmelblau ausgemalt sind, - „vielleicht mit blauen Strümpfen“, wie Oliver Schultz schmunzelnd bemerkte - schwebt sonnenbeschienen über dem Baum der Erkenntnis, um den sich eine rote Schlange ringelt. Eva, grell-rot geschminkt, reicht Adam einen roten Apfel. „Frau Brahm ist sehr produktiv“, wie Anna Eisold zu berichten weiß. Filzstifte und Papier liegen immer parat, um zu malen. Ihr heiteres Karneval-Motiv, ein Geschenk an den Oberbürgermeister bei seinem offiziellen Besuch in der Einrichtung zur Fassenacht, fand so den Weg ins Rathaus. 

Viele Gäste sind von der Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks überrascht. Eine Bleistiftzeichnung von Henriette Antoni zeigt einen anrührenden Engel, der den Betrachter mit wachen Augen und fragendem Blick anschaut. Originell die Zeichnung von Rosemarie Pistoor, die eine Walpurgisnachtszene fantasievoll in ein Motiv übertrug. Oder die fast (technische) Zeichnung von Günther Wüst, der diesmal ein ‚Gebäude an der Nordseite des Schlossparks‘ in allen Ansichten gekonnt darstellte. Im Haus Friedheim ist „Anna – die Astronautin“, gemalt von Ingrid Maniezki, ein von vielen bewundertes Bild. 

Alle Bilder vermitteln die je eigene Sicht- und Ausdrucksweise der Malerinnen und Maler. „Das hat etwas mit Lebendigkeit – unabhängig vom Alter - zu tun“, sagt Oliver Schultz, der zu diesen Themen derzeit promoviert. Oft sei er erstaunt, „was in den alten Menschen schlummert und durch das Malen erweckt wird.“ Diese unbedingt sehenswerte Ausstellung zeigt das in ihrer ganzen Vielfalt.

Ort: EVIM Seniorenzentrum Katharinenstift, Rathausstr. 62 - 64, 65203 Biebrich

Foto: Die Malerin Dora Riedel (2.v.l.) mit Oliver Schultz und Birgit Staniewicz-Ostermann vor ihrem Bild „Friedenstauben“. Birgit Staniewicz-Ostermann begleitet als Ehrenamtliche die Farbzeit seit über zwei Jahren und bereitete die Ausstellung mit vor. „Sie ist eine ganz wunderbare Unterstützung“, freuen sich Oliver Schultz und das ganze Team im Haus.