„Rilay ist was Besonderes“ - Wie tiergestützte Arbeit helfen kann

Der Hund gilt gemeinhin als bester Freund des Menschen. Für Frau A.* ist er sogar der „bessere Mensch“. Die 47jährige lebt in einer kleinen Wohnung in Mainz-Kastel, die sie auf Grund einer Angststörung kaum verlässt. Ein „Therapeut auf vier Pfoten“ verhilft ihr zu mehr Selbstvertrauen.

Einmal im Monat kommt Daniela Wenzel mit ihrem ausgebildeten Therapiebegleithund Rilay in den vierten Stock der Neubausiedlung am Stadtrand. Hier ist das Zuhause von Frau A., die seit 1995 in der Zwei-Zimmer-Wohnung lebt. Nach einem Krankenhausaufenthalt in der Psychiatrie sollte sie in eine stationäre Einrichtung umziehen. Das war für sie jedoch keine Option, da Kontakte mit anderen Menschen für sie beängstigend sind. Eine Lösung bot sich bei der EVIM Behindertenhilfe über das betreute Wohnen in der Gemeindepsychiatrie an. Mit ihrer Bezugsbetreuerin Lucia Roska erledigt sie seitdem Wichtiges im Alltag. Die drei Geschwister von Frau A. leben mit im Quartier und unterstützen die älteste Schwester bei Einkäufen oder anderen Dingen.

Eine neue Zeit beginnt

Der Kontakt zu Daniela Wenzel kam durch einen Zufall zustande, als diese in Vertretung ihrer Kollegin Frau A. aufsuchte, „beim ersten Mal noch ohne Rilay“, erinnert sich die Klientin mit türkischen Wurzeln genau und auch daran, dass ihr die junge Mitarbeiterin auf Anhieb sympathisch war und keine Ängste ausgelöst hat. Mit Rilay begann für sie eine neue Zeit. „Ich habe einen Draht zu Tieren und ich mag Rilay“, erzählt sie. Das glaubt man ihr gern, denn die Begrüßung zwischen beiden ist liebevoll stürmisch. Zweifelsohne hat der Australian Shepherd einen besonderen Zugang zu Frau A., die stets darauf achtet, dass alle Türen daheim verschlossen sind. Der Besuch von Rilay in Begleitung von Daniela Wenzel vermag bei ihr Türen zu öffnen und sie in vielerlei Hinsicht positiv zu beeinflussen. „Das Besondere der tiergestützten Arbeit liegt darin, dass sie auch körperliche Nähe zulässt. Beim Streicheln wird Oxytocin – ein Hormon, dass das Wohlbefinden steigert – ausgeschüttet. Es spricht das Bindungsverhalten an, baut Stress ab und verbessert das Sozialverhalten“, weiß die EVIM Fachfrau zu berichten. Die Erfahrungen von Frau A. bestätigen das, was inzwischen vielfach von Forschungsberichten belegt ist. „Es ist einfacher für mich, wenn ich mit Rilay draußen bin. Ich konzentriere mich dann auf ihn und nicht mehr nur auf die Umgebung“, erzählt sie. Über diese positive Veränderung freut sich auch ihre jüngere Schwester, der sie dann in Begleitung von Rilay von draußen zuwinkt.

Mehr Autonomie im Leben

Die Hundebesuche sind Frau A. mittlerweile so wichtig, dass sie sich schon Tage zuvor gedanklich darauf vorbereitet und betet, dass es ihr gut gehen möge und sie die Gesellschaft von anderen ertragen könne. An diesem Besuchstag im Dezember gelingt ihr das wieder. Sie hält Blickkontakt zum Hund und gibt ihm freundlich aber bestimmt klare Kommandos; in der Fachsprache sind das Impulskontrollübungen. Der wiederum hört auf’s Wort und wird mit vielen Leckerlis belohnt. Reflektiert berichtet Frau A. darüber, wie ihr Rilay zu mehr Autonomie verhilft. „Wir versuchen, bei jedem Besuch rauszugehen. Der Hund bedeutet für mich Schutz, denn die Menschen halten durch ihn Abstand zu mir.“ Dadurch sei es ihr möglich, in Begleitung Erledigungen zu machen: zur Bank zu gehen, Zigaretten zu holen oder ein Rezept.

Die richtige Ausbildung zählt

Daniela Wenzel, die seit rund zehn Jahren als Sozialarbeiterin in der Gemeindepsychiatrie der EVIM Behindertenhilfe arbeitet, hat für die richtige Ausbildung von Rilay gesorgt. Mit 15 Monaten absolvierte der Welpe die Begleithundeprüfung, im Anschluss daran die Therapiehundeausbildung. „Die tiergestützte Arbeit ist ein zusätzliches Angebot“, sagt Daniela Wenzel. „Es kann als Ergänzung zum regulären Dienst oder auch als ein gezieltes Einzel- und Gruppenangebot einsetzt werden.“ Frau A. weiß, dass der ausgebildete Hund in Stresssituationen nicht nach vorn, sondern zurück geht. Sie kann ihn auch problemlos von der Leine lassen, ohne Komplikationen befürchten zu müssen. Daniela Wenzel lobt die Klientin, die „intuitiv“ sehr gut mit dem Hund umgehen kann. Indem die Klientin zum Beispiel die Erfahrung mache, dass der Hund sich führen lässt, stärke das ihre Selbstsicherheit. Zudem fördere ein gemeinsam erledigter Einkauf das Selbstwertgefühl.

Einmal habe Frau A. versucht, den Weg allein zu gehen, den sie in Begleitung von Rilay inzwischen schon oft gegangen ist. „Der Weg wurde immer länger, immer enger“, erinnert sie sich und auch daran, dass sie diesen Versuch abbrechen musste. Sie ließ sich davon nicht entmutigen und öffnet auch weiterhin gerne ihre Tür am Besuchstag des bildschönen Australian Shepherd, den sie so mag, der ihr gut tut und ihre ganze Aufmerksamkeit bekommt. In dieser Zeit spielt sogar Duman, die ebenso bildschöne Rassekatze von Frau A., nur eine Nebenrolle - in sicherem Abstand zu Rilay - hinter dem Sofa. (hk)
(*Name der Redaktion bekannt)

Foto (EVIM): Frau A. und Rilay haben einen "guten Draht" zueinander. Der Therapiehund verhilft der Klientin zu mehr Selbstvertrauen.