Vom „Mäuschen“ zur selbstbewussten jungen Frau

Zahra Payandeh profitiert vom „Be Welcome“ Patenprogramm/Neue Ehrenamtliche gesucht

Kaum vorstellbar, dass diese junge selbstbewusste Frau einmal das „Mäuschen“ in ihrer Klasse war. So würde sicherlich heute niemand mehr die 19-jährige Zahra Payandeh nennen. Sie steht kurz vor dem Abitur, spricht fließend Deutsch und nimmt lebhaft an der Unterhaltung beim EVIM Pressetermin teil. Payandeh ist 2015 mit ihrer Familie in einer monatelangen Odyssee aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Über mehrere Stationen landeten die Payandehs, die in ihrem Heimatland ein Hotel geführt hatten, in Wiesbaden zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft. Zahra besuchte die Mittelstufenschule Dichterviertel, absolvierte zuerst den Hauptschul-, dann den Realschulabschluss und macht jetzt in der Oberstufe weiter. Ein duales Studium könne sie sich gut als Perspektive vorstellen, sagt sie: „Dann kann ich lernen und verdiene dabei auch schon Geld.“ 

„Es ist eine Freundschaft geworden“

Viel weitergeholfen hat ihr die Patenschaft mit der Wiesbadener Studentin Melina Zoe Herz, die beim Pressetermin zwar krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte, von ihrem „Patenkind“ aber sehr gelobt wird. „Ich würde schon sagen, es ist eine Freundschaft“, meint Zahra. Sie vermisste eine Gelegenheit, in ihrer Freizeit Deutsch zu sprechen und so ihre Sprachkenntnisse zu verfeinern. „Ich war auch sehr schüchtern, daher wurde ich immer Mäuschen genannt“, sagt Zahra und lacht. Wenn man besser in der Sprache sei, dann wachse auch das Selbstbewusstsein – das hat sie ganz deutlich erfahren. Und dabei spielt die von EVIM vermittelte Patenschaft mit Zoe Herz eine große Rolle. Das interkulturelle Patenprogramm „Be welcome“ wurde vor über sechs Jahren gezielt für die Unterstützung von Menschen mit Fluchthintergrund gestartet. Die Idee war, niedrigschwellig Kontakte von Mensch zu Mensch aufzubauen. Es ist bei der Abteilung Freiwilliges Engagement angesiedelt, die bei EVIM großen Stellenwert besitzt.

Programm soll ausgeweitet werden

Nun will man dieses Programm ausweiten, sagt Andrea Stinner, die die Abteilung leitet. Erreicht werden sollen künftig auch Arbeitsmigrant:innen, die nicht als Geflüchtete in Deutschland ankommen – denn die Probleme beim Ankommen in einer fremden Stadt sind die Gleichen. Die Sprache zu üben ist natürlich Hauptsache – aber auch den Kontakt mit Behörden, Vermietern, medizinischen Stellen zu erleichtern:  Da brauchen alle Hilfe. „Es ist aber nicht nötig, dass man sich bis ins Letzte mit der deutschen Bürokratie auskennt“, sagt Andrea Walter, die das „Be Welcome“-Projekt koordiniert. „Dafür sind wir da, wir vermitteln und beraten und lassen unsere „Tandems“ natürlich nicht allein.“

Die Tandems sind nicht allein

Rund 70 Tandems sind momentan in Wiesbaden bei EVIM aktiv. Es gibt eine – zurzeit nicht sehr lange – Warteliste seitens der Migrant:innen, deswegen werden aktuell Ehrenamtliche gesucht. In einem ausführlichen Gespräch sondiert Andrea Walter die Bereitschaft der Bewerber:innen. Ob ein Termin pro Woche oder – wie bei Zoe und Zahra – „immer, wenn wir Lust und Zeit haben“: Jedes Tandem kann die Rahmenbedingungen für sich selbst festsetzen. Und wenn man an Grenzen stoße, könne man sich immer an EVIM wenden, bekräftigt Walter. „In Nicht-Corona-Zeiten haben wir auch regelmäßige Austauschtreffen, das werden wir auch wieder machen, sobald es geht.“ Mit aktuellen Informationen versorgt sie ihre Tandems per Rundmail. „Be Welcome“ ist ein Teil des Wiesbadener Netzwerkes „Gemeinsam für Wiesbaden“, wird auch über das Freiwilligenzentrum vermittelt, das eine extra Stelle für Patenschaftsprojekte hat und ist generell in der Landeshauptstadt hervorragend vernetzt. Das Programm wird jetzt auch zunächst bis zum Ende des Jahres aus Mitteln des Amtes für Zuwanderung und Integration mit rund 48.500 Euro finanziell gefördert. Der Bedarf und die Aufgaben, das wissen Walter und Stinner, werden nicht kleiner: „Natürlich kümmern wir uns auch um Neuankömmlinge aus der Ukraine. Im vergangenen Jahr stand die Gruppe der afghanischen Ortskräfte im Mittelpunkt.“ Schließlich laute das EVIM Leitmotiv: „Wir sind da, wo Menschen uns brauchen.“ (abp)

Infos: www.evim-engagiert.de

Foto/EVIM (v.l.n.r.): Andrea Walter, Zahra Payandeh, Andrea Stinner