„Wir haben hier ein ständiges Geben und Nehmen“

Als Vorsitzender des Einrichtungsbeirates kennt Jochem Creuzer das, was die Bewohner und ihre Angehörigen bewegt. Stets ist er vor Ort, hat für alle Wünsche und Sorgen ein offenes Ohr und oft auch die passende Lösung im Kopf. Die Pandemie hatte das, wofür er sich engagiert, jäh unterbrochen.

„Mitwirken, mitgestalten und etwas erreichen, das mache ich wahnsinnig gerne“, sagt Jochem Creuzer. Das war schon zu Berufszeiten so, bekennt der ehemalige Referatsleiter im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Man glaubt ihm auf’s Wort, wenn er mit Herzblut über seine nunmehr 12jährige Tätigkeit im Jan-Niemöller-Haus berichtet. Durch die Pandemie sei alles „ein bisschen“ anders geworden, will sagen: ganz anders geworden. Das monatelange Betretungsverbot für Pflegeheime galt auch für externe Mitglieder des Einrichtungsbeirates wie ihn, der in der Nähe des Seniorenzentrums lebt. Ausnahmeregelungen wurden zwar landesweit für systemrelevante Berufsgruppen erlassen, „die Einrichtungsbeiräte hatte jedoch niemand im Blick.“ Damit sei die rechtlich verankerte Mitwirkung ausgefallen, eine Konsequenz, die Jochem Creuzer auch im Kontakt mit dem Hessischen Sozialministerium bemängelte. Ein bisschen stolz sei er daher schon, daran mitgewirkt zu haben, dass hier auf Landesebene nachgebessert wurde. Seitdem könne er sich wieder regelmäßig, zumindest einmal wöchentlich, vor Ort um seine Aufgaben kümmern. Dazu gehören Gespräche mit den Bewohnern und Angehörigen und der Austausch mit der Einrichtungsleitung und ihrem Team. Der sei stets hervorragend gewesen. Dazu trugen nicht zuletzt die monatlichen Sitzungen im Beisein der Leitungskräfte bei. „Wir waren immer bestens informiert“, so Jochem Creuzer. Für ihn das A und O einer guten Zusammenarbeit.

Auch in der schwierigen Phase der Pandemie ließ er den Kontakt nicht ruhen. „Manchmal telefonierte ich mehrmals in der Woche mit der Leitung“, erinnert sich Jochem Creuzer an die Zeit, in der das Mandat der Mitwirkung kaum umgesetzt werden konnte. Dankbar war und ist er für die große Bereitwilligkeit im Jan-Niemöller-Haus, Auskunft zu geben. zum Zeitpunkt des Gespräches Mitte Mai geben ihm die Inzidenzzahlen jedoch Anlass zur Hoffnung, dass im Juni die Sitzungen des Einrichtungsbeirates wieder aufgenommen werden können. Gerne erinnert er sich daran, was das vertrauensvolle Miteinander aller Akteure bisher bewirken konnte: zum Beispiel die Montage eines stabilen Wind- und Sonnenschutzes, der die Terrasse am Hafen noch  beliebter machte. Oder die unterschiedliche Farbgebung in den einzelnen Etagen des Hauses. „Wir haben hier ein ständiges Geben und Nehmen“, würdigt er die Zusammenarbeit. Noch heute ist Jochem Creuzer auch den Verantwortlichen der Stadt dankbar, dass der Bürgersteig für Rollstuhlfahrer angepasst wurde. An diese Ergebnisse will Jochem Creuzer anknüpfen und sammelt Sachfragen, die sich neu ergeben haben oder weiterhin auf der Agenda stehen. Dazu gehört zum Beispiel die Installation von WLAN in der Einrichtung. Jochem Creuzer ist zuversichtlich, dass Bewegung in die Sache kommt. „Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die digitale Kommunikation auch für die Bewohner und Angehörige ist“, sagt der 77jährige „waschechte Wiesbadener“, der selbst digital gut unterwegs ist. „Die Gespräche via Tablet waren für orientierte Bewohner eine große Hilfe,“ weiß er zu berichten, denn „Fenstergespräche“ sind nicht für alle möglich.

Was Jochem Creuzer sehr vermisst, ist die Anwesenheit der Ehrenamtlichen. Deren Mithilfe sei eine „ganz hervorragende Sache“. Er freue sich sehr, dass viele Ehrenamtliche „bei der Stange geblieben sind“. Gerne erinnert er sich an die „relativ entspannten“ Sommermonate im vergangenen Jahr. Sogar Open-Air-Gottesdienste waren möglich. Zum Glück, so sagt Jochem Creuzer mit vorsichtiger Erleichterung in der Stimme, „glättet sich aktuell die Situation mit den Besuchsregelungen und Kontakten.“ Sonst wäre es für alle langsam ein bisschen viel geworden.
von Heide Künanz
Anmerk.d.R. Der Artikel ist Teil einer Serie, in der Menschen, für die EVIM Mitarbeitende da sind, ihre Erfahrungen in der Pandemie reflektieren.