Emotionale Begegnungen und Austausch

3. Geisberg-Treffen Ehemaliger – Erinnerungen, Begegnungen und neue Perspektiven

Geschichten vom Geisberg sind Lebens- und Zeitgeschichte. Lebendig werden sie in besonderer Weise bei den Geisberg-Treffen Ehemaliger, die als Betreute in den vergangenen Jahrzehnten hier lebten – und von Mitarbeitenden, die auf dem Geisberg beschäftig waren. Erfahrungen wie diese sind prägend für ein ganzes Leben. Umso wichtiger ist das Angebot, darüber zu sprechen, was gelungen und was misslungen war, um daraus zu lernen.

Erfahrungen in Wort und Schrift

Nachzulesen sind die individuellen Erinnerungen jetzt auch in einer Zeitschrift, die von der Projektgruppe zum dritten Geisberg-Treffen im September stolz präsentiert wurde. Das Ergebnis sei „sehr, sehr spannend“, würdigte Geschäftsführer Klaus Friedrich. Ehemalige schildern darin ihre individuellen Erfahrungen insbesondere in den 60er Jahren - durchaus ambivalent: Es geht um Macht und Ohnmacht in einer Zeit, in der das einzelne Kind mit seinen Bedürfnissen nicht im Mittelpunkt stand. „Viele Kinder fühlten sich nicht gesehen, nicht gehört und nicht geschützt. Statt liebevoller Zuwendung erlebten sie Kontrolle, Disziplinierung und emotionale Kälte“, heißt es in einem Beitrag des Redaktionsteams in einer kritischen Betrachtung von Kinderrechten und diakonischem Auftrag in den 60er- und 70er Jahren. Andere erinnern an glückliche Erlebnisse wie Freizeiten nach Österreich und Sylt, Ausflüge in die Umgebung mit Menschen, die positive Erfahrungen möglich machten. 

Ein Ort voller Emotionen

Alle, die zu diesem Treffen kommen, wissen um die „gemischten Gefühle“, die sie hier spüren, sagte Jutta Kliefoth-Wagner, die als Psychologin in den achtziger und neunziger Jahren auf dem Geisberg gearbeitet hatte. Besonders eindrücklich werden sie bei der Führung durch die Räumlichkeiten. Herr W. stand ergriffen in seinem ehemaligen Schlafsaal, heute Unterrichtsraum. „Hier stand mein Bett, ich habe Gänsehaut“, sagte er leise. Bei Susanne Kinkel, die von 1961 bis 1966 Erzieherin auf dem Geisberg war, wird Geschichte in „ihrem Gruppenraum“ fast greifbar. Die Ehemaligen tauschen ihre Erinnerungen aus, bestätigen, fragen und korrigieren einander. Eine Betreute hat ihren mittlerweile erwachsenen Sohn mitgebracht, der mit viel Interesse zuhört und Anteil an den Geschichten nimmt. Auch andere kommen in Begleitung. Manche trafen sich nach Jahrzehnten wieder und fallen sich in die Arme. Sie können es kaum glauben, sich hier wiederzusehen. Andere brauchen mehr Zeit, um ins Gespräch zu kommen. Sogar einige jüngere Betreute sind dabei.

Uwe Vergin und Heinz Schildger, die beide in den 60er Jahren auf dem Geisberg lebten, engagieren sich intensiv in der Projektgruppe. „Wir möchten keine Festveranstaltung, die Leid ausblendet“, betonte Schildger, „sondern ein lockeres Programm mit Raum für intensive Gespräche.“ Auch beim dritten Geisberg-Treffen ist das sehr gelungen: Neben dem Austausch gab es ein liebevoll gestaltetes Buffet, Gegrilltes, Kaffee und Kuchen – und sogar gemeinsames Singen mit der „Mundorgel“, dem bekannten Liederheft aus jener Zeit. 

Veränderte Jugendhilfe

Wie sehr sich die Arbeitspraxis in der Jugendhilfe seit damals verändert hat, machte Geschäftsführer Klaus Friedrich deutlich. Er berichtete von einem neuen Betreuungsangebot der EVIM Jugendhilfe in Portugal: „Immer mehr verhaltenskreative Jugendliche erfordern von uns kreative Angebote, um sichere Orte zu gestalten.“ Für bestimmte Kinder seien Angebote wie in Portugal nötig. Solche Projekte schaffen ihnen ein Zuhause, in dem sie zur Ruhe kommen, einen Schulabschluss erreichen und langfristige Stabilität erfahren können.

Gemeinsam in die Zukunft

Die Projektgruppe, die von Olav Muhl, stellvertretende Geschäftsbereichsleitung, engagiert begleitet wird, blickt schon voraus. Bis zum nächsten Treffen 2027 sollen neue Kontakte und Mitstreiter:innen gewonnen werden. „Wir freuen uns auf Eure Mitarbeit und Unterstützung“, sagt auch Alexander Johl, ehemaliger Betreuter und Redaktionsmitglied. (hk)
Kontakt: geisbergtreffen@evim.de