
„Wir haben es geschafft“ – zehn Jahre Patenprogramm „Be Welcome“
10 Jahre „Be Welcome“ – eine Erfolgsgeschichte. Das Projekt von EVIM entstand aus einer Idee von Karin Falkenstein. Sie sei 2015 auf den Vorstandsvorsitzenden Matthias Loyal zugekommen mit dem Satz: „Schauen Sie Nachrichten? Wir müssen was tun.“ Daran erinnerte Matthias Loyal bei der Jubiläumsfeier im Wiesbadener Tattersall.
Er war der gleichen Meinung wie Karin Falkenstein. „Das war noch vor dem berühmten Satz von Angela Merkel, „Wir schaffen das“ – Menschen, die wachsam und umsichtig sind und auf das achten, was um uns herum geschieht, die hat es damals gegeben und die gibt es immer noch“, sagte er. Der Satz stimme noch heute, „sonst würden wir nicht hier sitzen.“ Nicht alle Menschen in Deutschland dächten so, aber im Kleinen, so wie in diesem EVIM-Projekt, das hervorragend in das „MitMenschen“-Motto von EVIM passt, schafft man sehr wohl sehr viel. Haltung, die möglicherweise auch mit dem Glauben zusammenhängt, darauf könne man bauen. Und dafür sei er sehr dankbar. Auch anderswo existierten solche Projekte, nicht nur in Wiesbaden. Mit Menschen, die haupt- und ehrenamtlich aktiv sind und sich kümmern. Und dabei Freundschaften entstehen lassen.
Mehr als 400 Patenschaften
Das wurde im Tattersall bei einem wunderbaren Buffet, angerichtet vom Hattersheimer EVIM-Catering, deutlich. „Patenschaften sind keine Einbahnstraße“, sagte die aktuelle Leiterin Andrea Walter. „Es geht hin und her, jeder bekommt etwas und jeder hat etwas davon.“ In den vergangenen Jahren habe sich manches verändert. Aktuell kämen die meisten Partner aus Afghanistan, der Ukraine und auch aus der Türkei, am Anfang seien es noch mehr Menschen aus Syrien gewesen. Abteilungsleiter Christopher Schmitt bekannte, man sei sehr stolz darauf, so viele Menschen zusammengebracht und unterstützt zu haben. Aktuell gibt es rund 40 Patenschaften, drei davon werden digital ausgeführt, eine davon sogar mit einer Patin, die mittlerweile wieder zurück in ihrem Heimatland Finnland ist. Neu in diesem Jahr sind immerhin zehn, immer wieder werden neue Paten und Patinnen gesucht. Insgesamt sind in den zehn Jahren mehr als 400 Patenschaften entstanden, manche dauern schon zehn Jahre, andere auch nur wenige Monate, je nach Bedarf.
Starkes und überregionales Netzwerk
Auch geflüchtete Menschen, die schon länger in Deutschland sind, engagieren sich als Paten für Neuankömmlinge. Diese sind in ganz unterschiedlichen Situationen: Akademiker:innen, die auf die Anerkennung ihrer Berufe warten – darunter Ingenieure, Ärzte, Pharmazeuten – Menschen, die studieren möchten oder eine Ausbildung anstreben. Alle Altersgruppen sind vertreten. „Be Welcome“, so berichtete Andrea Walter, sei auch sehr gut vernetzt, organisiere eine Info-Messe für Geflüchtete zusammen mit der Stadt Wiesbaden, kooperiere mit dem Freiwilligenzentrum, dem Hessischen Flüchtlingsrat, mit ähnlichen Hilfsorganisationen aus anderen Städten, beispielsweise Mainz, Taunusstein, Bad Schwalbach und sogar Basel, mit Beratungsstellen wie „NeW“, wo traumatisierte Geflüchtete Hilfe finden. Dass EVIM seit zehn Jahren absolut hinter „Be Welcome“ stehe, mache das dauerhafte Engagement erst möglich, sagte Andrea Walter und äußerte ihren großen Dank dafür, ebenso wie natürlich an die Paten.
Talentierte und engagierte Mitmenschen
Zwei besondere Gäste bereicherten die Feier: Die zehnjährige Sana, die in Erbenheim zur Schule geht. Sie hat wunderschöne Bilder gemalt und gezeichnet, die sie im Tattersall ausgestellt hat. Eines davon zeigt eine junge Frau mit Tränen im Gesicht, ihr wird der Mund zugehalten. Das symbolisiert, dass den Frauen in Afghanistan die Stimme und das Recht auf Bildung genommen werden. Der zweite Gast war Moqadas, ebenfalls eine junge Afghanin, 19 Jahre alt, die vor zehn Jahren mit ihrer Familie in Wiesbaden ankam. Sie befindet sich kurz vor dem Abitur und möchte Jura studieren. Die junge Frau las einen eigenen Text vor, den sie in der Schule zum Thema „Lesen“ verfasst hat. Sie beschreibt darin, wie sie durch das Kinderbuch „O wie schön ist Panama“ zum Lesen fand und seitdem nicht mehr aufgehört hat, wie sie sich dadurch die Sprache erarbeitet hat und durch viele Phantasiewelten reisen konnte. Das rührte manchen im Publikum zu Tränen. „Wir schaffen das“ – ein Satz, der zumindest in Wiesbaden bei diesem Projekt komplett wahr geworden ist. (aja)